Freitag, 13. Juni 2014

Zuletzt gelesen: Retro Gamer 3/2014



Die spinnen doch, die Engländer! Retrospiele-Fans wissen das nur zu gut. Da wird dem ZX Spectrum eine größere Bedeutung zugemessen, als einem Commodore 64 - und Spiele wie Altered Beast oder Bart Simpson VS the Space Mutants finden lobend Erwähnung. Der Atari ST wird gar zum Außenseiter deklassiert, obwohl er eine gewichtige 16-Bit (Vorreiter-) Rolle inne hatte, noch bevor der Amiga überhaupt so richtig Fahrt aufnehmen konnte.


Super!!! Oder ... ähh, nee, doch nicht.

Objektiv betrachtet alles Quatsch mit Soße. Und wer nun glaubt, er findet sich in der übersetzten Retro Gamer von solchen Schenkelklopfern verschont, der sieht sich getäuscht. Klar, das deutsche Pendant kann man als eine Art "Best of Retro Gamer" ansehen ;  die GamersGlobal-Redaktion pickt sich die relevantesten Artikel heraus, übersetzt sie (zumeist) tadellos und versucht das abfeiern von irrelevantem Quark herauszusieben.  Letzteres gelingt aber nicht immer. So kommt es schon seit der Erstausgabe immer wieder zu echt fragwürdigen Lobpreisungen, die nur ein dickes Fragezeichen auf der Stirn hinterlassen. Da kann man sich gepflegt drüber aufregen, wenn selbst das heutige deutsche Magazin so Englisch ist, wie es schon in den frühen Neunzigern die Magazine aus Great Britain waren. Oder aber man nimmt das mit Humor. Ungewollt bietet die Lektüre somit immerhin was Diskussionswürdiges, wenn Gurkenspiel XY auf einen imaginären Thron gehoben wird. Die Retro Gamer als Indikator für leidenschaftlich geführte Debatten in Foren oder in der Anlaufstelle Nr.1 für classic Games-Besessene (www.kultboy.com)? Ja, warum nicht!?


Außenseiter? Zumindest Fragwürdig.

Durch die Einstampfung der Neo-PowerPlay hat es sich ja quasi angeboten, dass Michael Hengst seine verfügbar gewordene Zeit in ein ähnliches Projekt investiert. Ab dieser Ausgabe verstärkt er das Kernteam der deutschen Retro Gamer. Hallo Michael! Find ich großartig! Seinen damaligen Verriss bezüglich Another World habe ich ihm nie verziehen - schon als schwer pupertierende Dreizehnjährige erkannte ich die grenzenlose Großartigkeit dieses Kunstwerks. Aber, ach, dreiundzwanzig Jahre später waltet Gnade vor Recht. Schließlich hat der Mann so unglaublich viele lesenswerte Testberichte in die Tastatur gehauen. Ausrutscher sind da legitim.
Laut Editorial scheint das Magazin zusätzliche Verstärkung aus deutschen Landen in Betracht zu ziehen. Also dann: fragt doch mal den Harald Fränkel, den Gunnar Lott oder den Martin Deppe. Von mir aus auch gerne mal eine Petra Schmitz, die ja ebenfalls nicht erst seit 10 oder 15 Jahren spielt - und somit gleichzeitig exemplarisch als Gattung der female Gamer die Retro Gamer bereichern könnte.

Genau hier liegen auch die Stärken des 196 Seiten starken Blattes. Während der (übersetzte) Großteil der Artikel an Identitätslosigkeit leidet, punkten die eigens fürs deutsche Mag geschriebenen Sachen. Wenn Heinrich Lenhardt auf sechs Seiten die Firmengeschichte von Kingsoft Revue passieren lässt, dann ist das einfach großes Kino. Winnie Forster berichtet trocken - aber fast Intravenös, was Infos angeht - über die japanische Spieleindustrie. Und zwischendurch blitzen immer Spiele-Vorstellungen durch. Mick Schnelle empfiehlt Warsong. Michael Hengst erklärt die Faszination von Wizardry IV. Anatol Locker staunt über Midi-Maze. All das macht nicht mal ein Drittel der aktuellen Ausgabe aus. Aber sie geben der Retro Gamer das dringend benötigte Gesicht. Mehr davon!

Als Fazit bleibt festzuhalten: Da ist noch massig Luft nach oben. Der horrende Preis von 12,90,- Euro wird wohl auch zukünftig nur extreme Liebhaber zum Kauf verführen. Aber das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass die Retro Gamer unterhält und auf wirklich gutem Papier gedruckt wird (kein Vergleich mit den Schlabberseiten einer Games Aktuell oder PC Games). Das Magazin scheint mir im Moment auf der Suche nach Eigenständigkeit, nach einer Identität zu sein. Aber es könnte spannend werden zu verfolgen, wie sie im Laufe der Zeit immer besser wird oder gar stagniert. Ich bleib auf jeden Fall am Ball und würde allen - die noch nicht zugegriffen haben - empfehlen, mal exemplarisch in eine Ausgabe hineinzuschnuppern.

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1 Kommentar :

  1. gut geschrieben. aber als zu teuer empfind ich das mag nicht. hat schließlich kaum werbung dabei.

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